Im Jahr 1856 verabschiedete der US-Kongress den Guano Islands Act, der es den Bürgern der Vereinigten Staaten ermöglichte, Besitzansprüche auf Inseln mit Guano-Vorkommen überall auf der Welt zu erheben. Voraussetzung war, dass diese Gebiete nicht unter der Kontrolle anderer Nationen standen oder besetzt waren. Mit diesem Gesetz konnten die USA die Beschlagnahmung von über hundert Inseln im Pazifik und in der Karibik rechtfertigen, wodurch das Monopol Perus auf den Guano-Handel erheblich geschwächt wurde. Aber auch andere Mächte wie Großbritannien und Frankreich bemühten sich um die Aneignung von Inseln mit reichen Vorkommen dieser wertvollen Ressource.
Trotz eines anfänglichen wirtschaftlichen Aufschwungs in Peru, der durch die Guano-Exporte angeheizt wurde, war dieser „Guano-Boom“ nur von kurzer Dauer. Nach drei Jahrzehnten intensiver Ausbeutung waren die Vorkommen erschöpft und die Exporte begannen zu sinken. Die Situation verschärfte sich durch die Entdeckung von Natriumnitrat im Jahr 1870, einem nitratreichen Mineral, das sich für die Herstellung von Düngemitteln und Schießpulver gleichermaßen eignete.
Der wirtschaftliche Wohlstand Perus endete schließlich mit dem Pazifikkrieg (1879-1884), auch bekannt als Selitre-Krieg. Chile beschlagnahmte einen Großteil der bolivianischen Küstengebiete und nahm dem Land den Zugang zum Meer sowie die Hälfte der peruanischen Südküste weg. Diese Gebiete waren reich an Salpeter- und Guanovorkommen und machten Chile zu einem unglaublich reichen Land.
Das chilenische Nitratmonopol war jedoch nicht von langer Dauer. Im Jahr 1909 entwickelte der deutsche Chemiker Fritz Haber eine Methode zur Synthese von Ammoniak aus Luftstickstoff unter Verwendung hoher elektrischer Spannungen. Diese Technologie ermöglichte die Herstellung von Kunstdünger, wodurch die Bedeutung der natürlichen Nitrate stark zurückging. Obwohl der Erfinder wegen seiner Beteiligung an der Entwicklung chemischer Waffen während des Ersten Weltkriegs einen skandalösen Ruf genoss, wurde ihm für seine Arbeit der Nobelpreis verliehen.
Habers Technologie wurde von Karl Bosch, einem Ingenieur der BASF, der die Rechte an der Erfindung erwarb, in den industriellen Maßstab übertragen. Diese Methode, das so genannte Haber-Bosch-Verfahren, ermöglichte die Massenproduktion von Kunstdünger und löste Guano und Nitrat als Hauptnitratquellen ab. Bis 1925 betrug die natürliche Nitratproduktion in Chile 2,5 Millionen Tonnen, aber bis 1934 war sie auf 800.000 Tonnen gesunken und machte den chemischen Düngemitteln Platz.
Die technologischen Innovationen des 19. Jahrhunderts vernichteten viele Rohstoffexporteure und veränderten die wirtschaftliche Landschaft weltweit dramatisch. Die Erfindung synthetischer Farbstoffe in Großbritannien und Deutschland war eine Katastrophe für die Hersteller natürlicher Pigmente. So führte beispielsweise die Entwicklung künstlicher roter Farbstoffe wie Alizarin zum Ruin der Wirtschaft Guatemalas, die damals stark vom Export von Cochenille, einem einzigartigen dunkelroten Farbstoff, abhängig war.
Dieses Pigment, das aus dem Insekt Dactylopius coccus (besser bekannt als „Cochenille-Wurm“) gewonnen wird, wurde zum Färben der Gewänder katholischer Kardinäle verwendet und dem berühmten italienischen Likör Campari zugesetzt, der eine wichtige Zutat für den Negroni-Cocktail ist. Interessanterweise ist dieses Insekt trotz seines Namens gar kein Käfer, sondern ähnelt äußerlich einem Mokka.
Ein Durchbruch gelang 1868, als die BASF begann, Alizarin aus Steinkohlenteer herzustellen, wodurch schwarze Kohle zu einem der wertvollsten roten Farbstoffe wurde. Diese Erfindung brach nicht nur den Markt für Naturfarbstoffe auf, sondern legte auch den Grundstein für die nachfolgenden Entwicklungen des Unternehmens. Im Jahr 1897 führte die BASF die Technologie zur Synthese von künstlichem Indigo ein, was der Produktion von natürlichem Indigo in Indien einen verheerenden Schlag versetzte. Dieser Zusammenbruch führte zu massiven Arbeitsplatzverlusten und dem Ruin zahlreicher Plantagen, darunter auch britische und europäische Betriebe.
Der Wettbewerb zwischen natürlichem und synthetischem Kautschuk hatte ebenso dramatische Folgen. Im 20. Jahrhundert entwickelten Wissenschaftler aus Deutschland, Russland und den Vereinigten Staaten Technologien zur Herstellung von synthetischem Kautschuk, was die malaysische Wirtschaft in den 1970er Jahren besonders hart traf. Das Land, das zu dieser Zeit die Hälfte des weltweiten Naturkautschuks produzierte, sah sich mit einer sinkenden Nachfrage und einem schweren wirtschaftlichen Schock konfrontiert. Um sich anzupassen, verlagerte Malaysia seinen Schwerpunkt auf die Palmöl- und Elektronikproduktion, doch der erste Schlag des synthetischen Kautschuks hinterließ tiefe Spuren in der Geschichte des Landes.
Nicht nur die Erfindung synthetischer Ersatzstoffe stellt eine Bedrohung für Rohstoffproduzenten dar, egal ob in der Landwirtschaft oder im Bergbau. Manchmal spielen auch wirtschaftliche und politische Manöver, die das Machtgleichgewicht auf dem Weltmarkt verändern, eine entscheidende Rolle.
Ein Paradebeispiel ist die Geschichte Brasiliens, das einst ein absoluter Monopolist auf dem Kautschukmarkt war. Die Einnahmen aus dem Kautschukexport haben die kautschukproduzierenden Regionen unglaublich wohlhabend gemacht. In Manaus, dem Zentrum der Kautschukwirtschaft, wurde das prächtige Amazonastheater gebaut, ein Symbol für Reichtum und Wohlstand. Diese goldene Ära endete jedoch mit einem verheerenden Schlag. Die Briten schmuggelten die Samen der Kautschukpflanze aus Brasilien heraus und errichteten anschließend große Plantagen in ihren Kolonien Malaysia (damals Malakka genannt), Sri Lanka und anderen tropischen Gebieten. Dies führte zu einer Neuausrichtung des Weltmarkts, und Brasilien verlor schnell seine beherrschende Stellung.
Ein weiteres eindrucksvolles Beispiel ist der Aufstieg Vietnams auf dem Weltkaffeemarkt. Mitte der 1980er Jahre exportierte das Land so gut wie nichts von dem Produkt. Innerhalb weniger Jahrzehnte wurde Vietnam jedoch zum zweitgrößten Kaffeeexporteur der Welt, gleich nach Brasilien. Bereits in den frühen 2000er Jahren hatte das rasche Wachstum der vietnamesischen Kaffeeexporte erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft anderer Erzeugerländer und schuf ein neues Wettbewerbsumfeld.
Natürliche Ressourcen mögen für ein Land ein wichtiger Aktivposten sein, aber ihr Vorhandensein ist keine Garantie für Wohlstand. Die Geschichte zeigt, dass der Erfolg nicht nur vom Bergbau abhängt, sondern auch von guter Regierungsführung, wirtschaftlicher Diversifizierung und Investitionen in das Humankapital. Die Vermeidung des „Ressourcenfluchs“ erfordert einen umfassenden Ansatz und eine strategische Vision, die auf eine nachhaltige Entwicklung abzielt.
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